Verbunden - Helen & Ben 01 by Greta Ley

Verbunden - Helen & Ben 01 by Greta Ley

Autor:Greta Ley [Ley, Greta]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-01-30T23:00:00+00:00


Der Nachmittag war längst angebrochen. Das Solarmobil glitt lautlos über die Straßen. Helen und Ben redeten nur das Nötigste miteinander. Ihr Gespräch handelte ausschließlich davon, den richtigen Weg zu Viktors Heim zu finden. Die Fahrt dauerte Ewigkeiten. Anscheinend hatte die halbe City beschlossen, den Nachmittag auf der Straße zu verbringen. Mütter schlenderten mit ihren Kindern herum. Seelenlose schleppten Einkaufstüten und Straßenreinigungsdiener putzten den Belag auf Hochglanz.

»Wir hätten doch die Mono nehmen sollen«, jammerte Helen leise.

»Dein Bruder hat bestimmt einen Grund, warum er uns mit dem Auto fahren lässt. In der Bahn stehen wir noch stärker unter Beobachtung als im Solarmobil«, sagte Ben und deutete mit dem Kinn auf einen der vielen Kontrollmasten.

Helen seufzte. Wie sehr sehnte sie sich nach der Geborgenheit, die sie früher stets wegen dieser Sicherheitsmaßnahmen empfunden hatte. Das Regime schützt uns, hörte sie ihre Mutter in ihrem Inneren, es schützt jeden von uns wie ein zweiter Vater. Sogar diejenigen, die glauben, es nicht nötig zu haben. Mein Schatz, du bist stets bewacht und in Sicherheit, dank unseres großartigen Regimes. Helen konnte nur noch über diese Aussage lachen, aber damals, … als Kind, freute sie sich und stellte sich das Regime als einen großen, starken Bären vor, der sich schützend vor sie stellte und alle Gefahren verjagte. Nun bereiteten ihr die vielen Scanner und Kameras eine Gänsehaut und sie wünschte sich schnell in Viktors kleines Haus, wo niemand ihr auf Schritt und Tritt mit elektronischen Augen folgte.

Endlich kamen sie auf dem Parkplatz der Grundschule an. Helen sah sogleich die klapprige Pferdekutsche ihres Bruders. Viktor lehnte entspannt an dem maroden Gefährt. Er kaute auf einem Strohhalm herum und hatte einen Strohhut ins Gesicht gezogen, obwohl die Sonne bereits tief am Himmel stand. Die Umgebung sah fremd und wild aus, und das blitzsaubere Solarmobil vor der Schule wirkte wie ein Museumsstück aus einer anderen Welt. Nicht Viktor, mit seinem Strohhut, seinem zerschlissenen, karierten Hemd, seiner ausgebleichten Jeans und seinen verbeulten, vorn spitz zulaufenden Stiefeln war fehl am Platz, sondern Ben und sie in ihren Standardregimeklamotten. Sie hatte Ben wenigstens dazu überreden können, sein Sklavenhemd abzulegen und in eine normale Hose mit einem dunkelbraunen T-Shirt zu schlüpfen.

Viktor winkte ihnen, spuckte den Halm auf den Boden und schlenderte lässig auf sie zu. Dabei ließ er den kleinen metallenen Stern an seinen Fersen extra auf den Pflastersteinen klicken. Er grinste übers ganze Gesicht und hob sie bei seiner Umarmung hoch, als hätte sie das Gewicht eines kleinen Mädchens. Helen lachte vor Freude und warf die Locken in den Nacken. Es tat so gut, ihren Bruder zu sehen.

Er setzte sie ab und drückte ihr noch einen Kuss auf die Wange. »Willkommen, Schwesterherz«, zwinkerte er ihr zu und wandte sich zu Ben um. »Du bist also der Untote, der meiner Schwester das Herz und wahrscheinlich auch den Verstand geraubt hat«, stellte Viktor fest und steckte Ben auffordernd die Hand entgegen. Helen schluckte und befürchtete, dass Ben die Bemerkung falsch verstehen könnte.

Helen ärgerte sich still. Sie hätte ihn noch mal darauf hinweisen sollen, dass Viktor etwas anders tickte, als die meisten, und dass er solche Aussagen niemals böse meinte.



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